Eisheilige und Klima
Wir sind im Wonnemonat Mai angekommen. Das klingt nach wärmeren Tagen. Doch liegen in der Mitte des Mai auch die Tage der sogenannten "Eisheiligen" (12.-15.5.; hl. Pankratius bis hl. Sophia), die auf alte Erfahrungen hinweisen, dass man auch Mitte Mai noch mit kalten Tagen und Nachtfrösten rechnen muss.
Lassen Sie uns das in einen größeren Zusammenhang einordnen. Unsere Erde ist vor ca. 4,5 Mrd. Jahren entstanden. Seither haben sich wärmere und kältere Klimaphasen abgewechselt. Eine Phase, wo mindestens eine Polregion der Erde vergletschert und von Eis bedeckt ist, nennt man "Eiszeitalter". Das war im Verlauf der Erdzeitgeschichte nur in ca. 10 bis 20% der Zeit der Fall. In der meisten Zeit - also 80 bis 90 % der Erdgeschichte - war es also wärmer und die Polregionen waren eisfrei, was man Warmklima, Nichteiszeit oder Warmzeitalter nennt. Wir selbst sind seit ca. 34 Mio. Jahren im sogenannten "Känozoischen Eiszeitalter", da damals die Südpolarregion, d. h. die Antarktis vereiste (Känozoikum = Erdneuzeit, die vor ca. 66. Mio. Jahren begann, als u. a. die Dinosaurier ausstarben). Vor ca. 2,7 Mio. Jahren begann auch die Nordpolarregion, d. h. die Arktis und Grönland zu vereisen. Seither wechseln sich innerhalb unseres Eiszeitalters sogenannte Kaltzeiten (Glaziale) und Warmzeiten (Interglaziale) ab. Eine solche Kaltzeit ist das, was wir üblicherweise als "Eiszeit" bezeichnen, da in solchen Zeiten große Erdflächen von Gletschereis bedeckt sind. Die letzte "Eiszeit" begann vor ca. 115 000 Jahren und endete vor ca. 11 600 bzw. 10 000 Jahren ("Weichsel-Eiszeit" in Nordeuropa bzw. "Würm-Eiszeit" in den Alpen).
Damals waren Skandinavien und Großbritannien und auch Teile Norddeutschlands von Gletschereis bedeckt. Seit ca. 11 600 Jahren leben wir also in einer Warmzeit des Känozoischen Eiszeitalters, die "Holozän" genannt wird (von grch. "holos" = ganz und grch. "kainos" = neu). Und auch in dieser Zeit gab es wärmere und kältere Phasen. Von etwa Anfang des 15. bis Mitte des 19. Jahrhunderts n. Chr. war beispielsweise eine kältere Phase; diese Zeit wird als sogenannte "Kleine Eiszeit" bezeichnet, wo im Winter z. B die Themse in London zufror und man auf dem zugefrorenen Fluss Jahrmärkte veranstaltete. Die Eisheiligen könnten auf Erfahrungen in dieser "Kleinen Eiszeit" zurückgehen. Doch wie man oben sieht, ist dies nur ein sehr kleiner Zeitabschnitt im Vergleich zur ganzen Erdgeschichte.
Nun sorgt die Verbrennung fossiler Brennstoffe seit Beginn der Industrialisierung zunehmend dafür, dass die Erwärmung des Erdklimas für erdgeschichtliche Maßstäbe rasant nach oben verläuft und nicht nur kalte Temperaturen an den Tagen der Eisheiligen unwahrscheinlich werden, sondern auch die Zukunft der Menschheit gefährdet wird. Wenn wirklich das Eis von Arktis, Grönland und Antarktis ganz abtaut, haben wir eine Situation wie zuletzt vor 34 Mio. Jahren. Damals lebten allerdings noch keine Menschen und wir wissen gar nicht, inwieweit und wie Menschen in einer solchen Welt (über-) leben können. Beten wir für richtige Entscheidungen der Politiker und suchen wir nach unserem eigenen Beitrag für eine gute Zukunft zukünftiger Generationen.
Ihr Pfarrer Klemens Gößmann