Diese Seligpreisung bezieht sich auf die, welche ein einfaches, reines Herz haben, frei von Schmutz. Denn ein Herz, das zu lieben weiß, lässt nichts in sein Leben eintreten, was gegen diese Liebe verstößt, nichts, was sie abschwächt oder gefährdet. In der Bibel steht das Herz für unsere wahren Absichten, also für das, was wir über das hinaus, was wir vorgeben, wirklich suchen und ersehnen: "Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz" (1 Sam 16,7). Der Herr möchte uns zu Herzen reden (vgl. Hos 2,16) und will sein Gesetz darauf schreiben (vgl. Jer 31,33). Letztendlich will er uns ein neues Herz schenken (vgl. Ez 36,26).
"Mehr als alles hüte dein Herz" (Spr 4,23). Nichts, was durch Falschheit beschmutzt ist, hat echten Wert für den Herrn. Er "flieht vor der Falschheit, er entfernt sich von unverständigen Gedanken" (Weish 1,5). Der Vater, der "das Verborgene sieht" (Mt 6,6), erkennt, was nicht rein ist, das heißt, was nicht ehrlich ist, sondern nur Schale und Anschein, so wie auch der Sohn weiß, was in jedem Menschen ist (vgl. Joh 2,25).
Gewiß, es gibt keine Liebe ohne Werke der Liebe, aber diese Seligpreisung ruft uns in Erinnerung, daß der Herr eine Hingabe an den Bruder oder die Schwester erwartet, die aus dem Herzen entspringt, denn "wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts" (1 Kor 13,3). Im Matthäusevangelium sehen wir ebenso: Das, was "aus dem Herzen [kommt,] macht den Menschen unrein" (15,18), denn von dort kommen Mord, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und andere böse Taten (vgl. 15,19). In den Absichten des Herzens haben die Wünsche und die tieferen Entscheidungen, die uns wirklich bewegen, ihren Ursprung.
Wenn das Herz Gott und den Nächsten liebt (vgl. Mt 22,36-40), wenn dies seine echte Absicht ist und nicht leere Worte, dann ist dieses Herz rein und kann Gott schauen. Der heilige Paulus ruft uns in seinem Hohelied der Liebe in Erinnerung: "Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse" (1 Kor 13,12), aber in dem Maß, in dem die Liebe wirklich herrscht, werden wir fähig werden, zu schauen "von Angesicht zu Angesicht" (ebd.). Jesus verheißt: Die reinen Herzens sind, "werden Gott schauen".
Das Herz rein halten von allem, was die Liebe befleckt, das ist Heiligkeit.
Aus:
Papst Franziskus, GAUDETE et EXSULTATE.
Apostolisches Schreiben über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute
= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 213,
hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2018, S. 46–47